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Newsletter, Dezember 2020
Liebe Eichen- und Waldfreunde
 
2020 liegt schon bald hinter uns; ein Jahr zum vergessen? Nein, sicher nicht! Wahrscheinlich haben wir schon lange nicht mehr so viel Wichtiges und Grundlegendes erlebt und gelernt wie in diesem Pandemiejahr. Wir haben nämlich u.a. erfahren, dass es eine Reihe von Faktoren gibt, welche bei der Bewältigung von komplexen Situation hilfreich sind. Dazu zählen: Zusammenarbeit und Solidarität, offener Zugang zu Information, Austausch von Erfahrungen, ein gutes Bildungsniveau, leistungsfähige Forschungseinrichtungen, fundierte Kommunikation und nicht zuletzt die Fähigkeit, Veränderungen in der realen, praktischen Welt konkret umzusetzen. Glücklicherweise ist unser Verein nicht für die Bewältigung der Covid-Krise zuständig. Trotzdem möchten wir zwei der genannten (Erfolgs-) Faktoren in unserem Newsletter hervorheben, weil sie auch in unserer Vereinsarbeit eine besondere Rolle spielen.
 
 
 Die Napoleon-Eiche in Dorigny bei Lausanne. Foto: Fabrice Ducrest / UNIL
 
Zum einen ist das der Wissenstransfer – der offene Zugang und breite Austausch von Informationen. Mit dem Projekt der Waldbaulichen Doku-Flächen für die Eiche hat proQuercus ein Instrument geschaffen, das die freie Verfügbarkeit von Eichenwissen unterstützt. Der zweite Punkt betrifft unser Verhältnis zur Forschung. Unsere Welt – so wie wir sie kennen – wäre ohne Wissenschaft nicht denkbar. Dies gilt auch für unser Eichenwissen. Entsprechend stellen wir in der Rubrik Aus der Wissenschaft erstaunliche Resultate aus verschiedenen Forschungsprojekten vor. In einem davon spielt die Napoleon-Eiche in Dorigny bei Lausanne eine ganz besondere Rolle.
 
Wir wünschen all unseren Lesern – gerade wegen der aktuellen Unwägbarkeiten – besinnliche Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr.
 
Bleiben Sie gesund!
 
Ihr proQuercus Vorstand
 

Inhalt
Aus dem Verein
> proQuercus Vereinsversammlung 2021 >
> Auszeichnung proQuercus 2021 >
Wissenstransfer: Waldbauliche Doku-Flächen für die Eiche >
Zwei waldbauliche Doku-Flächen vorgestellt >
> Doku-Fläche „Les Chênes“; Gemeinde La Charrat (VS) >
> Doku-Fläche „Vereilla“; Gemeinde Lens (VS) >
Aus- und Weiterbildung
> Die Methode ARCHI - angewendet auf die Stieleiche >
Aus dem Eichenwald
> Artbestimmung bei der Eiche – ein Herbar für den Kanton Neuenburg >
> Frage: Woher kommt die rote Farbe in der Eichel? >
Aus der Wissenschaft
> Die multiple Persönlichkeit von Eichen  >
> Das Geheimnis vom „ewigen“ Leben  >
> Differenziertes ökologisches Verhalten   >
Kommunikation
> Napoleome - Die Napoleon-Eiche >
> Der fliegende Förster >
> Duir die Eiche ist zurück >

proQuercus Dienstleistungen
> Präsentationsvorlagen >
> Fotomaterial >
 
Aus dem Verein
proQuercus Vereinsversammlung (3.)/4. Juni 2021
Die Vereinsversammlung von proQuercus findet am Freitag, den 4. Juni 2021 in Genf statt. Einladung, Programm und Anmeldung werden im April 2021 auf der Website von proQuercus aufgeschaltet [Link] und den Mitgliedern per Email zugestellt.
 
Für die Vereinsmitglieder mit einer weiten Anreise gilt das Angebot, bereits am Donnerstagabend dem 3. Juni 2021 anzureisen und in Genf zu übernachten. Ein entsprechendes Programm wird ausgearbeitet.
Auszeichnung proQuercus 2021
 
Auch 2021 wird proQuercus wiederum Personen, Organisationen, Aktionen oder Werke auszeichnen, welche zur Erhaltung des vielfältigen Natur- und Kulturerbes der Eiche in der Schweiz beitragen.
 
Gesucht werden verschiedenste Aktivitäten, welche die Eiche zum Thema haben und diese in besonderer Weise fördern. Die Palette möglicher Themen ist gross und umfasst: Erziehung und Ausbildung, Forschung, Geschichte und Kultur, Archäologie, Waldbau, Biodiversität, Holzprodukte, Landschaft etc.
 
Die Gesamtsumme für die Auszeichnung 2021 beträgt Fr. 3'000.-. Diese kann auf mehrere Preisträger verteilt werden. Alle sind eingeladen, Bewerbungen oder Vorschläge für die Auszeichnungen 2021 bis zum 5. März 2021 dem Vorstand von proQuercus zu melden. Weitere Informationen finden sich auf der Website von proQuercus [Link].
Wissenstransfer: Waldbauliche Doku-Flächen für die Eiche 
Der Erfahrungs- und Wissensaustausch ist wesentlich für die Entwicklung eines breiten waldbaulichen Knowhows; dies gilt ganz besonders in Zeiten des Klimawandels und für eine waldbaulich anspruchsvolle Baumart wie die Eiche. Da die den Eichenarten zusagenden Habitate in Zukunft zunehmen, stellt sich die Frage, wie sowohl die spontane als auch die durch den Menschen unterstützte Verbreitung der Eiche ökologisch und ökonomisch sinnvoll begleitet werden kann.
 
Zeit den Schatz zu bergen. Das im Jahre 2018 gestartete Projekt kommt in eine neue Phase. Nachdem die technischen Voraussetzungen für die Aufnahme und Darstellungen der Informationen geschaffen und eine gewisse Anzahl von Flächen in die Datenbank aufgenommen wurde, gilt es nun, das System zu konsolidieren und mit der Bergung des dargestellten Informationsschatzes zu beginnen. Die ganze „Eichen-Community“ ist aufgerufen, dabei mitzumachen.
 
proQuercus wird die Datenbank wie folgt nutzen:
  • Die Fachexkursionen anlässlich der Vereinsversammlungen sollen in Doku-Flächen erfolgen oder wenn nötig neue Flächen aufgeschaltet werden. S. dazu Beispiel Doku-Fläche Les Chênes in La Charrat (VS).
  • Bei geeigneten Gelegenheiten werden Artikel über Doku-Flächen in Forstzeitschriften publiziert.
    S. hier die Publikationen zum Eichwald in Allschwil.
  • Chêne en placettes documentée: l’exemple d’Allschwil est explicite. La Forêt 11/2020 [Download].
  • Waldbauliche Doku-Flächen für die Eiche. Wald und Holz 12/20 [Download]
Abb. rechts. Saumschlagverfahren bei der Eichen-Naturverjüngung in der Hinter Allme. Doku-Fläche Allschwill (BL). Abb. aus W+H 12/20 [Download]
 
  • Newsletter. In jeder Ausgabe des pQ-Newsletter werden jeweils zwei Flächen zu bestimmten Themen vorgestellt (s. unten).
Ein Instrument für alle. Wissen ist die einzige Ressource die man multipliziert indem man sie teilt! Die Akteure der Eichenwaldwirtschaft sind also aufgerufen, sich am Transfer des Eichenwissens zu beteiligen. Das Instrument der Waldbaulichen Doku-Flächen steht den kantonalen Forstdiensten, den Bildungsanbietern, der Forschung usw. zur Verfügung. Neue Flächen können online ins System aufgenommen werden. Bei Fragen helfen die Kontaktpersonen des Projektes gerne weiter [Kontakt].
 
proQuercus wird periodisch neue Themen in die Doku-Datenbank integrieren. 2021 ist das Thema „Kulturgut Eiche“ vorgesehen.
 
Zwei waldbauliche Doku-Flächen werden vorgestellt
Eine waldbauliche Doku-Fläche für die Eiche beschreibt einen ganz bestimmten Eichenbestand. Die Kombination aus Standort, Eichenvorkommen und Bewirtschaftung erzählt dabei die reale und praktische Geschichte eines „Kapitels“ aus dem Buch des schweizerischen Eichenwaldbaus – dies im Gegensatz bzw. in Ergänzung zur theoretischen und allgemeinen Lehre des Eichenwaldbaus.
 
Im Folgenden werden zwei Kapitel (zwei Flächen!) aus diesem Praxisbuch vorgestellt, welche die Themen Flaumeiche und Schutzwald aufgreifen.
Doku-Fläche „Les Chênes“; Gemeinde La Charrat (VS)
 
Der Bestand oberhalb der Gemeinde La Charrat im Unterwallis wurde anlässlich der Fachexkursion der Vereinsversammlung proQuercus im Jahre 2017 besucht. Besondere Diskussionspunkte waren die Rolle der Flaumeiche im Schutzwald und die notwendige Pflege in solchen Beständen. Der Exkursionsbericht zu dieser Veranstaltung kann aus der Beschreibung der Doku-Fläche heruntergeladen werden.
 
Auf der Datenbank der <Waldbaulichen Doku-Flächen für die Eiche kann dieses Objekt mit folgenden Filtern gefunden werden.
  • Ort: La Charrat
  • Lokalname: Les Chênes
  • Funktion: Bestand von besonderem Interesse Besonderes Interesse: Pflege, Schutzfunktion, Verjüngung
 
Stockausschlag einer ehemaligen Niederwaldwirtschaft. Foto: P. Bonfils, proQuercus
 
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Doku-Fläche „Vereilla“; Gemeinde Lens (VS)
 
Auf NaiS Weiserflächen verfolgen Praktiker die Wirkung von Massnahmen beziehungsweise deren Unterlassung im Schutzwald. Die Wirkungsanalyse ist Teil des Konzeptes zur "Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald" (NaiS).
Es ist wenig bekannt, dass es NaiS-Flächen gibt, auf denen Eichen – insbesondere Flaumeichen – vorkommen. Die Bedeutung der Eiche im Schutzwald dürfte gerade im Wallis durchaus eine Rolle spielen.
 
Die Doku-Flächen haben die Aufgabe, auf bestehende Objekte von besonderem Interesse für die Eiche hinzuweisen. In diesem Fall sind es die auf der NaiS-Plattform dargestellten Bestände. In der Beschreibung der Doku-Fläche ist der entsprechende Link angegeben.
 
Auf der Datenbank der Waldbaulichen Doku-Flächen für die Eiche kann dieses Objekt mit folgenden Filtern gefunden werden.
  • Ort: Lens
  • Lokalname: Vereilla
  • Funktion: NaiS-Weiserfläche
  • Besonderes Interesse: Schutzfunktion, Pflege, Bestandesstruktur
 
 
Schutzwald mit einem Anteil Flaumeiche.
Foto: Thierry Darbellay
 
Aus- und Weiterbildung
Eichenförderung setzt solide fachliche Kenntnisse voraus. proQuercus unterstützt Lehrveranstaltungen und Kurse, welche dem Thema Eiche gewidmet sind.
Kurs. Die Methode ARCHI - angewendet auf die Stieleiche
24.3./25.3.2021, Güttingen TG
 
Methode ARCHI kennenlernen: Visuelle Diagnose von reversiblen und irreversible Schadensmerkmalen (Kurs und Übungen).
 
Wie können diejenigen Eichen eines Bestandes erkannt werden, welche die besten Voraussetzungen zur Stressbewältigung mitbringen? Wie kann der reversible bzw. irreversible Charakter einer Schädigung frühzeitig erkannt werden? Die Methode ARCHI schlägt zu diesem Zweck ein visuelles Diagnosetool vor. Auf der Basis von mehr als 350 untersuchten Stieleichen hat eine Studie fünf verschiedene ARCHI-Typen identifiziert. Diese widerspiegeln die unterschiedlichen Baumreaktionen nach Stresseinwirkung. [Hier weiterlesen – Beitrag auf Französisch]
 
Anmeldefrist: 24.2.2021 Kurssprachen: Deutsch und Französisch
 
Anmeldungen und weitere Informationen: FOWALA [Link]
 
 
 
Aus dem Eichenwald
Artbestimmung bei der Eiche – ein Herbar für den Kanton Neuenburg
Vom Forstwart, Lernenden, Praktikanten bis hin zum Forstingenieur trafen sich am 23. Juni und am 6. Juli dieses Jahres über 30 Eichenfreunde zu einer besonderen Veranstaltung am Jurasüdfuss im Kanton Neuenburg. An diesen zwei Tagen wurde unter der Leitung von Pascal Junod und Denis Horisberger Blattmaterial von Eichen gesammelt und mit Hilfe eines Bestimmungsschlüssels die Eichenart bestimmt [Link]. In Zweiergruppen wurden morgens an genau vorbestimmten Orten (Karte!) die Blätter in ihrer sommerlichen Ausprägung gesammelt. Nachmittags wurden die Teilnehmer darin instruiert, die gesammelten Blätter zu bestimmen, zu nummerieren und korrekt abzulegen. Zusammen mit zusätzlichen Blättern, welche vor dem Blattfall gesammelt wurden, enthält das neue Eichenherbar des Kantons Neuenburg nun 2520 Blätter von 126 autochthonen Eichenpopulationen. Eine phytosoziologische Ansprache von jedem beernteten Standort ist für 2021 geplant.
 
Ziel dieser Aktion ist es, die Kenntnisse über das Vorkommen der drei Hauptarten – die Stiel-, Trauben- und Flaumeiche – und ihrer Zwischenformen zu verbessern. Die Region am Jurasüdfuss ist besonders interessant, weil gerade die Trauben- und Flaumeiche oft nahe beieinander oder sogar auf demselben Standort stocken und somit zahlreiche Übergangsformen oder Hybriden zwischen diesen beiden Arten erwartet werden können. Man kann jedenfalls gespannt sein auf den Bericht zu diesem kantonalen Eichenherbar.
 
Mit dem Kanton Neuenburg wird Denis Horisberger seinem Gesamtwerk über die Eiche in der Schweiz ein neues wichtiges Puzzleteil hinzufügen. Systematisch untersucht wurden bisher die Kantone Waadt, Genf, Wallis und Schafhausen.
Beerntung von Eichenblätter für das Herbar des Kantons Neuenburg (Foto links P. Junod; recht Denis Horisberger)
 

Frage: Woher kommt die rote Farbe in der Eichel?
2020 war für die Eiche vielerorts ein ausgezeichnetes Mastjahr; grosse Mengen von Eicheln bedeckten den Boden. In Mitten dieser braungefärbten Früchte konnte da und dort ein auffälliges Rot beobachtet werden, welches von den Keimblättern von frühzeitig austreibenden Eicheln stammte. Woher aber kommt diese Rotfärbung und welche Bedeutung hat diese?
 
Die rote Färbung kann oft zum Zeitpunkt einer verfrühten Keimung der Eichel beobachtet werden und findet sich ab und zu auch auf den Stielen gewisser Eichenblätter. Sie stammt vom Pflanzenfarbstoff Anthozyan, welcher in vielen Pflanzen vorkommt und etwa für die rot oder auch Blaufärbung von Blüten und Früchten sorgt. Wichtig ist das Anthozyan insbesondere dort, wo die Chlorophyll- und Wachsproduktion der jungen Pflanzenteile noch aussteht, weil es das Pflanzengewebe vor der schädlichen Wirkung des UV-Lichtes schützt. Mit der Bildung des Chlorophylls nimmt die Produktion des Anthozyans entsprechend wieder ab. Die Synthese des roten Farbstoffes hängt von den Bodenbedingungen, Licht, Wärme sowie von der Pflanzenart ab.
 
Links: Rotfärbung der Keimblätter der Eichel. Foto: Gerbeaud.com, simonsterg / flickr.com
 
Rechts: Rotverfärbung nach dem Kontakt mit Luft / Licht (Youtube)

Aus der Wissenschaft
Zusammengestellt von Patrick Bonfils
Die multiple Persönlichkeit von Eichen
 
Jean-Baptiste Veyrieras stellt in der Zeitschrift Science & Vie unter dem Titel „Chaque arbre cache toute une forêt“ [Link] die interessanten Resultate und Schlussfolgerungen aus zwei Forschungsprojekten in Frankreich und der Schweiz vor [1, 2]. Ziel dieser Arbeiten war es, das Erbgut (Genom) der Eiche zu entschlüsseln (sequenzieren) und genetische Veränderungen (Mutationen) innerhalb eines Baumindividuums aufzuspüren. Diese sogenannten somatischen Mutationen entstehen durch fehlerhafte DNA-Replikation während der Zellteilung oder durch die Wirkung ultravioletter Strahlung. Genetische Veränderungen im Teilungsgewebe (Meristem) des Baumes werden so an sämtliche, neu generierten Zellen weitergegeben. Ist das Meristem einer Seitenknospe des Haupttriebes betroffen, findet sich die Mutation in den Blättern, Blüten, Pollen und Samen des ganzen Astes wieder (Abb.1). Damit ist es möglich, dass auf ein und demselben Baumindividuum leicht unterschiedliche Genotypen vorkommen, ohne dass dabei Fortpflanzung und die damit verbundene Neukombination von Erbanlagen im Spiel wären. Fast so, wie wenn sich auf dem Baum – mit den Worten von Jean-Baptiste Veyrieras – ein ganzer Wald befände.
 
 
Abb. 1: Je nachdem wo und in welchem Alter eine somatische Mutation entstand, sind unterschiedliche Bereiche (Äste) des Baumes betroffen. Hier dargestellt sind 17 verschiedene Mutationen (SNV1-17). Abbildung aus [2]
 
Das Geheimnis vom „ewigen“ Leben
 
Die in Dorigny (VD), auf dem Gelände der Universität Lausanne, stockende Napoleon-Eiche ist das Untersuchungsobjekt der schweizerischen Studie [2]. Gemäss Überlieferung wurde sie im Jahre 1800 anlässlich eines Truppenbesuchs zu Ehren von Napoleon Bonaparte gepflanzt. Napoleon ist inzwischen schon gut 20o Jahre tot; die damals gepflanzte Eiche hingegen erfreut sich bester Gesundheit und hat noch nicht die Hälfte ihrer Lebenszeit erreicht. Wie schaffen es Bäume nur, so alt zu werden? Neben den Wissenschaftlern der Universität Lausanne hat sich auch eine französische Forschungsgruppe dieser Frage angenommen und eine 100 jährige Eiche in Nähe von Bordeaux untersucht [1]. Das Gewebe für die genetischen Analysen wurde auf verschiedener Höhe und an unterschiedlichen Orten der Kronen entnommen, so dass Probematerial ungleichen Alters zur Verfügung stand. Auf diese Weise sollte ermittelt werden, wie viele Mutationen sich im Laufe der Zeit im Baum angesammelt hatten. Aufgrund der bereits bekannten Mutationsrate bei Krautpflanzen (Arabidopisis) erwarteten die Forscher bei der langlebigen Eiche ein Vielfaches an Genveränderungen. Die Überraschung war gross, als beide Forschungsteams nur wenige genetische Veränderungen vorfanden. Die Eichen waren offensichtlich in der Lage, die Anzahl Mutationen auch über viele Jahrzehnte hinweg gering zu halten und so die Stabilität ihres Erbgutes und damit ihre Langlebigkeit zu garantieren (Abb.2). Eine Erklärung für dieses Phänomen könnte in der Anlage der Seitenmeristeme liegen, welche bereits sehr früh vom Apikalmeristem gebildet werden. Diese ruhen dann aber lange Zeit (kaum Zellteilung und damit nur wenige Replikationsfehler), bis sie bei Bedarf aktiviert werden (schlafende Knospen) und sich schliesslich zu Ästen oder Zweigen entwickeln. Zudem sind die Meristeme durch Knospenschuppen und die umgebende Rinde gut vor der UV-Strahlung geschützt.
 
 
Abb. 2: Die rund 240 Jahre alte Napoleon-Eiche in Dorigny (VD): jung und gesund! Der Baumart Eiche gelingt es, die Anzahl somatische Mutationen in ihrem Genom gering zu halten und damit Dysfunktionen und Alterungsprozesse des eigenen Organismus zu vermindern. Foto: Isabelle Gendre RTS
 
Differenziertes ökologisches Verhalten
 
Interessanterweise können die verschiedenen, baumeigenen Genotypen (somatische Mutationen) auch unterschiedliche ökologische Reaktionen entwickeln (Phänotyp). In Australien wurde dies bei Eukalyptusarten beobachtet, auf denen einzelne Äste der Kronen resistent gegen Insektenfrass waren (Abb.3) [3]. Auch wenn die Anzahl solch distinkter Genvarianten und ihre ökologische Bedeutung noch weiter erforscht werden müssen, so erscheint gerade die langlebige Eiche mit ihrer aufgelösten Krone dazu prädestiniert, mit einem Patchwork baumeigener Genotypen neue Reaktionsmuster zu entwickeln und z.B. auf die Einwirkung von Pathogenen reagieren zu können [1]. Da diese genetischen Varianten auch in den Eicheln eines Astes wiederzufinden sind, können die genetischen Veränderungen auch an die Nachkommenschaft weitergegeben werden.
 
Die Bedeutung somatischer Mutationen. Genetische Vielfalt ist die Grundlage für die Anpassung von Baumpopulationen an Umweltveränderungen. Die Rekombination der Erbanlagen über sexuelle Fortpflanzung ist dabei sicherlich die ergiebigste Quelle für genetische Variabilität. Dennoch können somatische Mutationen – auch wenn sie bei Bäumen relativ selten vorkommen – die Anpassungsfähigkeit von Baumarten- populationen unterstützen. Interessant ist dabei, dass sich Baumindividuen während ihres eigenen Lebenszyklus genetisch verändern bzw. anpassen können.
 
 
 
Abb.3: Aufgrund einer somatischen Mutation hat ein Ast dieses Eukalyptus eine Resistenz gegen Insektenfrass entwickelt [3]. Abbildung aus [3]
 
Literatur
Wissenschaftliche Publikationen
  • [1] Plomion Chr. et al. 2018: Oak genome reveals facets of long lifespan, Nature Plants volume 4, pages 440–452 [Link]
  • [2] Schmid-Siegert E. et al. 2017: Low number of fixed somatic mutations in a long-lived oak tree. Nature Plants volume 3, pages 926–92
  • [3] Padovan, A. et al. 2015: Transcriptome sequencing of two phenotypic mosaic Eucalyptus trees reveals large scale transcriptome re-modelling. PLoS ONE volume 10, e0123226. [Link
  • [4] Kuhlemeier Cris 2017: How to get old without aging. Nature Plants volume 3, pages 916–917 [Link]
Weitere Medien
  • Jean-Baptiste Veyrieras 2018: Chaque arbre cache une forêt ! Science et Vie [lien]
  • Fabien Goubet 2017: A Lausanne, le chêne de Napoléon dévoile les secrets de son ADN. Le Temps 4.12.2017 [Lien]
Kommunikation
NAPOLEOME - Die Napoleon-Eiche
 
Seit mehr als zweihundert Jahren steht eine majestätische Eiche im Zentrum des Dorigny-Campus und ist zum Wahrzeichen der Universität Lausanne UNIL geworden. Es heisst, sie sei zu ehren von Napoleon Bonaparte gepflanzt worden, als dieser im Jahre 1800 zur Truppeninspektion in der Region weilte.
 
Neben dem historischen Interesse hat die Eiche auch die Neugier der Forscher an der UNIL auf sich gezogen und ist zum Objekt eines faszinierenden Forschungsprojektes geworden. Eine eigens kreierte Website stellt alles Wissenswerte rund um die Eiche und das Projekt dar [Link].
 
 

 
Der fliegende Förster
 
Karoline Schmidt ist Wissenschaftsjournalistin, lebt in Niederösterreich und befasst sich seit einigen Jahren dem Thema „Eichelhäher“. Fasziniert vom fliegenden Förster hat sie verschiedene Publikationen und Artikel über diesen Vogel verfasst und kann es einfach nicht fassen, dass dieser für die Weiterverbreitung der Eiche so wichtige Nützling nach wie vor gejagt wird.
 
> Karoline Schmidt 2020: Der fliegende Förster. Die Presse, 30.10.2020 (Download)
 
> Artikelfolge von Karoline Schmidt in der österreichischen Forstzeitung (Download)
  • With a little help of my friends.
    Forstzeitung 07/2020
  • Wenn zwei das Gleiche tun, ist es nicht dasselbe. Forstzeitung 08/2020
  • Sippenhaftung für den Waldgärtner.
    Forstzeitung 09/2020
 
 

 
Duir die Eiche ist zurück
 
Duir, die kleine geschwätzige Eiche ist zurück (s. dazu auch Newsletter 2/2019). Die von Laure Oberli ins Leben gerufene Figur begleitet die im Jahre 2019 begonnene Neubegründung des „Keltenwaldes“ (Chênaie des Celtes) im Naherholungsgebiet der Gemeinde La Tène (NE) auch weiterhin. Die Fans können hier zwei neue Folgen von Duir’s Abenteuern mitverfolgen [Link]
 
 
 

 
proQuercus Dienstleistungen
Präsentationsvorlagen 
  • In Lehre, Ausbildung und Öffentlichkeitsarbeit werden oft Vorträge und Präsentationen zum Thema Eiche nachgefragt. Um das Rad nicht immer wieder neu erfinden zu müssen, hat proQuercus Präsentationsvorlagen zu verschiedenen Eichenthemen zusammengestellt. Diese stehen Interessenten kostenlos zur Verfügung. [Hier weiterlesen]
 
Fotomaterial
  • Fotomaterial zur Illustrierung von Broschüre, Vorträgen, Kursunterlagen? Immer wieder gelangen Anfragen bezüglich Fotomaterial an proQuercus. Wir haben uns deshalb entschlossen, unser Angebot zu erweitern und neu zu ordnen. Unter diesem Link finden Sie nun Photos zu verschiedenen Themen zur freien Verwendung.

    Haben Sie selber, aussagekräftige Bilder zu Eichenthemen? Gerne nehmen wir diese in unsere Bilddatenbank auf. Bilder senden an: info@proquercus.ch
proQuercus, www.proquercus.ch