Die Zeitung "La Croix" hat ihr vor etwa zehn Jahren den folgenden Artikel gewidmet.
Susanne Boutler, Deutsche aus Göttingen, schmückt jedes Jahr Barbaras Grab mit Blumen
Bevor daraus der Titel eines berühmten Chansons von Barbara wurde, ruft „Göttingen” Susanne Boutler die Stadt in Niedersachsen ins Gedächtnis, wo sie 1946 geboren wurde und wo sie aufgewachsen ist. Eine glückliche Kindheit in einem geräumigen Haus, das der von Buttlar, einer protestantischen deutschen Adelsfamilie.
Das Familienwappen schmückt eine Wand im Wohnzimmer des Einfamilienhauses im Pariser Vorort Yerres, in dem sie heute wohnt. Nichts bewegte ursprünglich diese studierte Englischlehrerin dazu, in Frankreich zu leben – sie, im Herzen anglophil, die sich geschworen hatte, als sie 1967 Paris zum ersten Mal entdeckte, sich nie in einer so dicht besiedelten Großstadt niederzulassen.
Die Begegnung mit einem deutschsprachigen Franzosen, Jacques Boutler, im selben Jahr anlässlich eines internationalen Familientreffens des Buttlar-Clans in Irland, machte diesen Vorsatz zunichte. Drei Jahre später fasste das junge Paar in einer Einzimmerwohnung im 11. Bezirk der Hauptstadt Fuß. Sie bekamen drei Kinder nach der Hochzeit – in Göttingen natürlich.
Binationale Stimmung in der Familie
Ein deutsch-französisches Fest, das war damals nicht selbstverständlich. „Für die Onkel meines Mannes, die im Krieg gekämpft hatten, war dies die erste Rückkehr nach Deutschland”, ruft Susanne Boutler in Erinnerung. In ihrer Familie ist eine binationale Verbindung nichts Außergewöhnliches. „Einer meiner Brüder hat eine Finnin geheiratet, meine Schwester einen Griechen und ich einen Franzosen. Wir haben Europa zu Hause gemacht!”, ruft sie mit mitreißendem Enthusiasmus aus.
In ihrem Haus schafft Susanne auch die Einheit der Christen! Ihr Mann ist Katholik, sie selbst Lutheranerin. Eine Situation, die sie ermutigt hat, sich im ökumenischen Dialog zu engagieren. Umso mehr, als ihre beiden Schwiegertöchter russisch-orthodox sind.
Während der Woche, die der Einheit der Christen gewidmet ist, hatte sie vorgehabt, jeweils den Ort zu wechseln – protestantisch und katholisch –, an dem Gottes Wort weitergegeben werden sollte. Den Rest des Jahres über besucht sie am Sonntagmorgen die deutsche lutherische [sic] Kirche in der rue Blanche (im 9. Stadtbezirk von Paris). „Denn um zu beten, bleibe ich der deutschen Sprache verbunden”, rechtfertigt sie sich in ausgezeichnetem Französisch mit einem Akzent von jenseits des Rheins.
Immer noch Vorurteile gegenüber Deutschland
In ihrer Ehe ist Deutsch die Umgangssprache. Auch die, welche sie jeden Donnerstagnachmittag mit einer kleinen Gruppe von Erwachsenen in Yerres teilt. Susanne engagiert sich natürlich für die Städtepartnerschaft dieser Stadt im Département Essonne mit Mendig, einer Gemeinde in der Nähe von Koblenz. Gelegenheit für direkten Austausch zwischen den beiden Völkern. „Man verurteilt ein Land weniger, sobald man Menschen kennt”, schätzt sie.
Vorurteile gegenüber Deutschland hat sie natürlich ertragen müssen. Und sogar manche Beleidigungen wie „Heil Hitler” ausrufen hören. „Unser Sohn Frédéric ist in der Schule einmal zusammen geschlagen worden, kurz vor dem 11. November, weil er Deutscher war”, erzählt sie, ohne sich weiter über diese seltenen Ausbrüche auszulassen. Sie, die die französische Staatsangehörigkeit angenommen hat, zieht es vor, von den Sympathiebekundungen zu berichten, die sie anlässlich des Mauerfalls 1989 erhielt. Oder von der Geschichte des Franzosen, eines ehemaligen Kriegsgefangenen, der aus dem Lager entlassen und von einer deutschen Familie in der Nähe von Dresden untergebracht wurde, die wiederzufinden sie ihm viel später geholfen hat.
Und dann ist da Barbara. 1997, beim Tod der Künstlerin, hat Göttingen Susanne Boutler aufgespürt und sie beauftragt, im Namen der Stadt, deren Rosen besungen wurden, riesige Rosensträuße hinzubringen. Inzwischen ist sie dem Verein der „Freunde von Barbara” beigetreten.
Europaflaggen in der Küche
Sie sammelt Bücher über die Sängerin, unterstützt eine Interpretin ihrer Werke und schmückt treu an jedem 24. November ihr Grab in Bagneux mit Blumen. Bei der Hochzeit ihres Sohnes Frédéric, die in Göttingen gefeiert wurde, ist der Text des Chansons an die Gäste verteilt worden, und alle haben es in beiden Fassungen gesungen, auf Französisch und auf Deutsch.
Susanne – ob es dem Bürgermeister ihrer französischen Wahlheimatstadt, Nicolas Dupont-Aignan, gefällt oder nicht – ist eine leidenschaftliche Europäerin. Fahnen der europäischen Gemeinschaft hat sie in ihrer Küche gehisst. Dazu auf der Kühlschranktür ein Magnet ihrer Heimatstadt, die sie gern lobt. Denn wie Barbara singt : „Doch nie sah ich so schöne Rosen [wie] in Göttingen, in Göttingen.”
„Mein Traum”
Während – und da – sie in Göttingen aufwuchs, hat Susanne Boutler nicht nur den Eisernen Vorhang gekannt ; sie hat ihn von vorn gesehen. Die Stadt befindet sich nur zehn Kilometer von der Grenze zur ehemaligen DDR entfernt. Das Lehnsgut, von dem die von Buttlars stammen, lag sogar plötzlich in dem No Man’s Land zwischen den beiden Blöcken. Dieser Osten, den man nicht betreten durfte, hat ihr Leben lange Zeit belastet.
Heutzutage, am Steuer ihres Volkswagen auf den Straßen von Yerres, hat Susanne immer noch nicht aufgehört, darüber zu staunen, dass sie sich ohne jede Schwierigkeiten quer über einen ganzen Kontinent, in dem Frieden herrscht, fortbewegen kann. „Es ist wirklich wichtig, dass die jungen Leute wissen, dass es früher nicht so war”, meint sie, während sie an jenem Tag zwei ihrer Enkelkinder bei sich zu Hause betreut. Ihr Traum ist, „dass sie nicht vergessen” und „wachsam bleiben”, damit diese Freiheit andauert, die ihre eigenen Eltern – sie erlebten beide Weltkriege – nicht gekostet hatten.
Sébastien Maillard, 22.01.2013, übersetzt von Lore de Chambure
La Croix
"Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines uns lieben Menschen ersetzen kann und man soll das auch garnicht versuchen; man muß es einfach aushalten und durchhalten; das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer Trost; denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden. Es ist verkehrt, wenn man sagt, Gott füllt die Lücke aus; er füllt sie garnicht aus, sondern er hält sie vielmehr gerade unausgefüllt, und hilft uns dadurch, unsere echte Gemeinschaft – wenn auch unter Schmerzen – zu bewahren. Ferner: je schöner und voller die Erinnerungen, desto schwerer die Trennung.
Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich. Man muß sich hüten, in den Erinnerungen zu wühlen, sich ihnen auszuliefern, wie man auch ein kostbares Geschenk nicht immerfort betrachtet, sondern nur zu besonderen Stunden und es sonst nur wie einen verborgenen Schatz, dessen man sich gewiß ist, besitzt; dann geht eine dauernde Freude und Kraft von dem Vergangenen aus. … Vom ersten Aufwachen bis zum Einschlafen müssen wir den anderen Menschen ganz und gar Gott befehlen und ihm überlassen, und aus unseren Sorgen um den Andren Gebete für ihn werden lassen."
Dietrich Bonhoeffer
Quelle:
Widerstand und Ergebung, DBW Band 8, Seite 255 f
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln
Le Seigneur est mon berger, rien ne me manque
23. Psalm
Meine geliebte Frau, unsere liebe Mutter, Großmutter
Susanne BOUTLER
geb. Elisabeth Susanne TREUSCH v. BUTTLAR-BRANDENFELS ist nach kurzer, schwerer Krankheit am 10. Juni 2022 gestorben.
Im Namen der Familie
Jacques Boutler
Frédéric und Ludmilla mit Alexandra und Feodor
Charles mit Paul, Georges und Victoria
Catherine mit Amalia, Gabriel (†) und Adrien
und die alle, die sie lieb hatten.
Die Trauerfeier findet am 20. Juni 2022, um 11 Uhr in der deutschen evangelischen Christuskirche in Paris, 25 rue Blanche (9e), statt; anschließend erfolgt die Beisetzung auf dem russischen Friedhof in Sainte-Geneviève-des-Bois (8 rue Léo-Lagrange, 91700 Sainte Geneviève-des-Bois).
In ihrem Sinne bitten wir um eine Spende für die Deutsche evangelische Kirche in Paris,
25 rue Blanche 75009 Paris
(IBAN : FR76 3007 6020 2418 4071 / BIC : NORDFRPP)