Am 22. September war der ehemalige Ratsvorsitzende der EKD, bayerische Landesbischof und Kommilitone von Pfarrerin Barbara Franke, Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, in der Christuskirche zu Gast. (Foto: Christian Ritter, Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Barbara Franke, Botschafter Stephan Steinlein)
Nach dem Gottesdienst berichtete er über seine neue Aufgabe als Vorsitzender des Weltkirchenrats und stellte sich den Fragen der Gemeinde.
Danach konnten sich alle mit einer leckeren Suppe stärken, die KV-Mitglied Christoph Kluge zubereitet hat (Foto).
HUNDERTJÄHRIGES JUBILÄUM DES "HÜGELS SAINT-SERGE"
Ende der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts kommt der junge Friedrich von Bodelschwingh auf Einladung des Pastors Louis Meyer nach Paris, um ihn bei seiner Arbeit mit den Ärmsten unter den deutschen Einwanderern im Rahmen der „Mission allemande“ zu unterstützen. Anstatt der geplanten 6 Monate wird von Bodelschwingh schließlich 6 Jahre in Paris bleiben. Ein Mann der Tat und zu Recht später von Theodor Heuss als „genialer Bettler“ bezeichnet, gelingt es ihm mithilfe einer breitangelegten Sammlung von Spenden, 1861 die „Hügelkirche“ im Faubourg La Villette (93 rue de Crimée) mit der angegliederten Schule zu errichten. Auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1864 bleibt die Hügelkirche der Ort für den deutschen Gottesdienst und die einzige deutsche Schule in Paris. Treu dem Motto „Fluctuat nec mergitur“ übersteht sie auch die widrigen Ereignisse um den dt.-frz. Krieg 1870/71 und die Pariser Kommune. Mit der Beschlagnahmung der Hügelkirche zu Beginn des ersten Weltkriegs endet die dortige deutsche Mission. Die Gebäude verfallen.
Das zweite Kapitel der Geschichte dieses Orts beginnt am 18. Juli 1924, dem Festtag des Heiligen Sergius von Radonegos, eines der großen Heiligen des russischen Mittelalters: Der Metropolit Euloge erwirbt das Grundstück mit den dazugehörigen Gebäuden auf einer Auktion für die russisch-orthodoxe Gemeinde, um neben der Gemeinde Saint-Alexandre-Nevsky in der rue Daru eine zweite russisch-orthodoxe Kirche für die zahlreichen Gläubigen in Paris zu gründen. Ein Jahr später wird am gleichen Ort das Institut de Théologie Orthodoxe Saint-Serge eröffnet.
Die russisch-orthodoxe Gemeinde Saint-Serge begeht das hundertjährige Jubiläum ihres Bestehens unter anderem mit verschiedenen Vorträgen zur Geschichte der Gemeinde. Zum Auftakt dieser Vortragsreihe, am Sonntag den 13. Oktober 2024, waren auch KirchenvorsteherInnen der Christuskirche und der lutherischen Gemeinde Saint-Pierre aus der benachbarten Rue Manin anwesend.
Père Alexis referierte über interessante Fakten, bisweilen „Wunder“, zum Erwerb des Hügels und Prof. Joost van Rossum sprach über die Ursprünge des Hügels und den Begründer der Hügelkirche, Friedrich von Bodelschwingh (siehe Anlage). Illustriert wurden die Vorträge durch Filme, u.a. aus dem INA-Archiv.
Prof. van Rossum zieht Parallelen zwischen der protestantischen und russisch-orthodoxen Geschichte des Ortes und stellt fest: „Die Geschichte wiederholt sich." „Die Geschichte des Hügels ist wirklich eine Geschichte von Emigranten und Immigranten: zuerst die Deutschen und dann die Russen, die mit denselben Problemen konfrontiert sind…“, nämlich beispielsweise der Frage, ob Gottesdienst und Unterricht auf Deutsch und Französisch bzw. Russisch und Französisch erfolgen sollten.
„Die Geschichte wiederholt sich noch auf andere Weise: Wie zuvor wird sich das Leben auf dem Hügel auf zwei Schwerpunkte konzentrieren: Gottesdienst bzw. Liturgie, und Bildung, diesmal die Lehre der orthodoxen Theologie. Und diese beiden Achsen sind im Bau des Gebäudes immer noch sichtbar: oben die Kirche und unten die Klassenzimmer.“ – auch wenn heutzutage der Unterreicht virtuell erteilt wird.
Das Andenken an den Gründer Friedrich von Bodelschwingh ist nicht vergessen, denn sein Portrait befindet sich noch immer an der Wand des unteren Saals der Kirche, „fast wie eine Ikone!“ (siehe oben in der Mitte auf den Fotos). In diesem Sinne zitiert Prof. van Rossum auch aus dem Buch „Fluctuat nec mergitur“ (Hg. Wilhelm von der Recke) zum 100-jährigen Jubiläum der Christuskirche: „Die Gemeinde und das Institut Saint-Serge haben das deutsche Erbe, insbesondere die Erinnerung an von Bodelschwingh, immer bewahrt und respektiert. Deutsche Besucher denken nicht nur an die Vergangenheit, sondern lassen sich von der Schönheit und Kraft der liturgischen Dienste der Orthodoxen mitreißen.“
Dass die Hügelkirche weiterhin im Dienste der orthodoxen Kirche steht, ist nicht zuletzt auch der Familie von Bodelschwingh zu verdanken, die während des zweiten Weltkriegs das Angebot der deutschen Besatzer, die Kirche wieder zu übernehmen, ablehnte „mit der Begründung, sie seien glücklich darüber, dass „ihr Hügel“ weiterhin ein Ort des Gebets und der Bildung bleibe“.
Und so erfüllt sich die ursprüngliche Prophezeiung, die von Bodelschwingh fühlte, als er das erste Mal den „Hügel“ bestieg: „Dieser Hügel gehört dem Herrn!“
Charlotte Mellot und Regine Prechel