Wenn Sie diesen Newsletter in den Händen halten, werden Sie von den Ferien nur noch träumen können. Hoffentlich haben Sie aber so viel Energie getankt und Abstand von dem Tagestrubel nehmen können, um nun all das Kommende in Angriff nehmen können. Der Höhepunkt war zum 1. September, da war die Rentrée. Der Moment, da an die 12 Millionen französische Schüler sich wieder auf den Schulweg machten, eine bei uns in Deutschland undenkbare Sache.
Es handelt sich hierbei aber nicht nur um Schulanfang. Die gesamte Wirtschaft und Industrie erwacht aus ihrem Ferienschlaf, vieles wird neugestaltet. Es gibt eine Rentrée im Kulturleben, eine Rentrée littéraire mit über 400 neuen Buchtiteln. Es gibt auch eine Rentrée parlementaire und der Rundfunk- und Fernsehstationen, die zum Teil neue Sendungen haben. 
Auch im privaten Bereich tut sich oft etwas: Schul- oder Berufswechsel, soziales Jahr oder auf zur Uni, von den Eltern weg, in eine Wohngemeinschaft, neuer Wohnort, neue Freunde suchen müssen. 
Und dann die Ungewissheit, die über allem schwebt: Wie geht es politisch weiter? Was wird mit den Diktatoren, Oligarchen Kriegstreibern? Es ist doch kaum vorstellbar, wie nach 2 Weltkriegen es wieder zu so vielen Kriegen kommen konnte. Die bisher anerkannten Werte gelten nicht mehr. Fake News auf allen Ebenen, lügen ist inzwischen salonfähig geworden. Die letzte Trumpsche Aussage lässt das Knochenmark erstarren, wenn er sagt, Amerika wolle einen Diktator, es brauche keine Demokratie. 
Nach all diesen schrecklichen Aufzählungen stellt sich doch die Frage nach Gottes Wirken und Lenken. Ist er überhaupt da, hat er alles im Griff, oder lässt er die Dinge einfach laufen? Ist dieser Gott wirklich so lieb, wie es immer heißt, oder hat er auch seine dunklen Seiten? Steht er uns bei, oder sind wir auf uns allein gestellt? Diese Fragen sind nicht unberechtigt, denn in der Bibel, vor allem im AT, wird uns bisweilen ein dunkler, unverständlicher, herzloser Gott gezeigt, ein Gott, über den man berechtigterweise klagen darf.
Es ist der Gott, der Abraham fast zur Ermordung seines Sohnes Isaak drängte, der Kain seinen Bruder Abel erschlagen lässt, der Gott, der das Herz des Pharaos verstockt, der den Kindermord des Herodes zulässt, der Gott, der seinen eigenen Sohn in Angst und Zweifel versetzt. Mit diesem Gott haderte Hiob ganz berechtigterweise. Hiob ist der Verzweiflung nahe, er kann nicht mehr, begreift nicht, wieso ihm all dies widerfahren ist. Er ist felsenfest davon überzeugt, dass er immer alles richtig gemacht hat. 
Er verlor seinen ganzen Besitz, seine Arbeiter wurden getötet, sein Vieh wurde zum Teil gestohlen und zum Teil vom Blitz erschlagen, seine Söhne starben, als ein Sturm das Haus zerstörte, er selbst wird krank. Und dann hat er auch noch die Unterstützung seiner Frau verloren.
Niemand von uns hier dürfte all diese Leiden ertragen haben, aber sicherlich von der einen oder anderen Krankheit betroffen gewesen sein, oder den einen oder anderen Schicksalsschlag erfahren haben, und dann wie Hiob die Frage des Warums gestellt haben.
Hiob ist sich keinerlei Schuld bewusst, er steht einsam allein vor Gott, er will nicht von Gott ablassen, er will nur verstehen, wieso ihm solche Ungerechtigkeit hat widerfahren können. Er klagt Gott an, will dessen Gerechtigkeit verstehen. Was ist das denn für ein Gott, der sich nicht fassen lässt?
Die gleiche Frage stellt sich in Anbetracht der zahlreichen heutigen Kriege. Vor 86 Jahren verkündete Hitler den Krieg mit der Aussage “Von nun an wird Bombe mit Bombe vergolten“, was eine Lüge war, denn der Krieg ging nicht von Polen aus. Am Ende des jahrelangen Kriegsgeschehens standen 80 Millionen Tote, umgebracht in Schützengräben, KZs, in ihren Häusern, auf der Flucht, ohne all die traumatisierten, verwundeten Kriegsgeschädigten.
Einer dieser Kriegsgeschädigten war Wolfgang Borchert. Seine Kriegserfahrungen schildert er in dem Drama „Draußen vor der Tür“. Als 18jähriger zieht er in den Krieg, mit 24 kehrt er nach Hause zurück. Seine Leiden schildert er in der Figur Beckmanns, der fast erfroren nach Hause kommt, wo nichts mehr ist wie es war. Er findet sich nicht mehr zurecht, wie viele seiner Generation. Auf seiner Koppel stand „Gott mit uns“. Er stellt sich die Frage: Wo war Gott; welchen Sinn hat das Leben noch?
Und diese Frage ist heute sicherlich genau so aktuell wie damals. Kann der Glaube an Gott helfen? Hiob vertraut immer noch Gott, in Borcherts Drama ist Gott nicht mehr allmächtig, sondern ein alter tattriger Greis, einer, an den keiner mehr glaubt. Beckmann trifft diesen Gott und fragt ihn: „Wo warst du eigentlich, als die Bomben brüllten, lieber Gott? …. Gott! Wir haben nach dir gebrüllt, geweint, geflucht! Wo warst du da, lieber Gott? Wo bist du heute?“ 
Hiobs Fragen sind ähnlich, seine Reaktion eine andere. Er rebelliert gegen Gott, klagt ihn an und ist sich seiner Unschuld bewusst. Von Gott ablassen, nein, das will er nicht, er glaubt immer noch an ihn. Er ist verzweifelt darüber, dass Gott sich nicht finden lässt. Gott zu klagen ist ein Recht. 
Hiobs Verhalten entspricht dem der Psalmisten. In den 40 Klagepsalmen werden die Klagen offen vorgetragen, Gottes Verhalten wird hinterfragt, er wird auch an seine versprochene Treue erinnert. Es ist da nichts Außergewöhnliches, wenn ein Psalm-Betender, nachdem er Gott seine Sorgen und Missverständnisse vorgetragen hat, auf einmal in Jubel ausbricht und Gott lobt, ein Jubel, als ob Gott schon helfend eingegriffen hätte.
Gibt es neben diesem “Lieben Gott“, dem Gott, der sich offenbarte, dem gerechten, gnädigen und lichten Gott, also auch einen dunklen und ungerechten Gott? Wie kann man mit mit diesem so entfernten Gott zurechtkommen, und doch Rettung von ihm erwarten? Im Sterben rief Jesus „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ und hofft, Gott werde ihm helfen.
Luther empfand es als schlimm, ertragen zu müssen, dass Gott uns etwas Böses antun könne. Es sei eine durchzustehende Phase, die irgendwann vorbei sei, und dass sich dann der gütige Gott zeige. „Es heißt doch zuletzt: Seine Güte und Treue waltet über uns.“ 
Rentrée bedeutet auch Neues wagen, neue Wege gehen, auch hier in unserer Gemeinde. Sehen wir hierbei vor allem die positive Seite. Hermann Hesse schrieb: „Und jedem Anfang liegt ein Zauber inne.“ Änderungen liegen in der Natur der Dinge, auch tragen sie dazu bei, dass das Schlimme nicht immer die Oberhand behält. Gehen wir mit dem Wandel einher und wehren wir uns nicht dagegen. Bereits vor 500 Jahren meinte Luther dazu: „Wir sind immer auf dem Wege und müssen verlassen, was wir kennen und haben, und suchen, was wir noch nicht kennen und haben.“ Und bei alle dem vergessen wir doch nicht: Unser Sein, das, was wir sind, kommt aus Gottes Hand. Und was auch immer kommen mag, wir können nicht tiefer fallen als in Gottes Hand. 
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete Rentrée 2025
Ihr Christian Ritter