Ergonomie News Nr. 99/2020 | 16. Dezember

 
 
Gezielte Prävention statt Berufsaufgabe
 
Was sich mit der Weiterentwicklung des Berufskrankheitenrechts verändert
 
Zum 1. Januar 2021 treten verschiedene Änderungen im SGB VII in Kraft. Diese betreffen das Recht der Berufskrankheiten. Darauf weisen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen hin. Der Deutsche Bundestag hatte die Änderungen im Mai 2020 als Teil des siebten SGB-IV-Änderungsgesetzes beschlossen. Was wird sich ändern? Die wichtigsten Auswirkungen für die Versicherten auf einen Blick.
 
Berufskrankheiten sind in der Berufskrankheitenliste aufgeführte Krankheiten, die durch besondere Einwirkungen verursacht sind und denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maß als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Zu ihnen zählen unter anderem beruflich bedingte Hauterkrankungen, Lärmschwerhörigkeit, aber auch asbestbedingter Lungenkrebs. Berufsgenossenschaften und Unfallkassen als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung übernehmen die Kosten für Heilbehandlung, Rehabilitation und Entschädigung bei Berufskrankheiten.
 
Wegfall des Unterlassungszwangs
 
Bislang können einige Berufskrankheiten – darunter zum Beispiel Haut-, Atemwegs- oder Bandscheibenerkrankungen – nur anerkannt werden, wenn die Betroffenen die Tätigkeit aufgeben, die zu der Erkrankung geführt hat. Diese Voraussetzung zur Anerkennung der Krankheitsbilder als Berufskrankheiten fällt ab dem kommenden Jahr weg. Berufsgenossenschaften und Unfallkassen bauen die bestehenden Präventionsangebote für Versicherte aus, die an diesen Erkrankungen leiden. Sie beraten die Betroffenen und bieten ihnen gegebenenfalls „individualpräventive Maßnahmen“ an. Das können zum Beispiel ein Hautschutzseminar oder ein gezieltes, berufsspezifisches Rückentraining sein. Diese Maßnahmen dienen dazu, einer Entstehung, Verschlimmerung oder dem erneuten Ausbruch der jeweiligen Berufskrankheit entgegenzuwirken.
 
Rückwirkungsregelung
 
Der Wegfall des Unterlassungszwangs wirkt sich auch auf Fälle aus der Vergangenheit aus. Die Unfallversicherungsträger ermitteln von sich aus rückwirkend bis 1997 alle Fälle, bei denen es zwar aus medizinischer Sicht notwendig gewesen wäre, die krankheitsverursachende Tätigkeit aufzugeben, die Versicherten selbst ihre Tätigkeit aber nicht aufgeben wollten. Wenn die seinerzeit festgestellte Erkrankung auch über den 01.01.2021 hinaus besteht, kann sie ab diesem Zeitpunkt als Berufskrankheit anerkannt werden. Sich daraus eventuell ergebende Leistungsansprüche werden gesondert geprüft.
 
Darüber hinaus können auch Versicherte, bei denen in der Vergangenheit keine medizinische Notwendigkeit zur Berufsaufgabe bei den vom Unterlassungszwang betroffenen Berufskrankheiten bestand, ihren Fall noch einmal prüfen lassen.
 
Einwirkungsermittlungen
 
Die Anerkennung einer Berufskrankheit setzt voraus, dass Versicherte bei der Arbeit schädigenden Einwirkungen ausgesetzt waren. Im Fall von asbestbedingtem Krebs muss zum Beispiel nachgewiesen sein, dass bei der Arbeit Asbestfasern freigesetzt wurden, die die Erkrankten eingeatmet haben. Bei der Prüfung dieser besonderen Einwirkungen berücksichtigen die Unfallversicherungsträger nicht nur den betroffenen Arbeitsplatz, sondern auch Erkenntnisse, die an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen wurden. Dies hilft insbesondere in den Fällen, in denen die eigentlichen Arbeitsplätze nicht mehr existieren. Neu ist, dass die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen zukünftig Daten trägerübergreifend nutzen können, um Erkenntnisse über Belastungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen zu bündeln.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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